Aktuell sind die Zivilbevölkerungen in Rojava (Nordsyrien) und Palästina/Israel Ziel massiver Attacken seitens Staatsmilitärs und islamistischen Kräften. Mindestens 1.400 Menschen in Israel fielen am 07. Oktober den terroristischen Angriffen der islamistischen Hamas zum Opfer, was als Reaktion massive Angriffe des israelischen Militärs auf den Gaza-Streifen auslöste. Währenddessen bombardiert die Türkei seit Anfang Oktober ununterbrochen die kurdischen Gebiete im Nordirak. Die Berichterstattung hierzulande ist einseitig geprägt durch die Staatsräson der BRD oder in Bezug auf den Krieg gegen Rojava quasi nicht existent. Wir als Teil der linken Bewegung finden es wichtig, die aktuellen Krisenherde aus einer klassenbewussten, antimilitaristischen und internationalistischen Perspektive zu bewerten und einzuordnen.
Krieg ohne Aufmerksamkeit in Rojava/Nordsyrien
Seit 2012 existiert in Nordsyrien (kurdisch: Rojava) die autonome Selbstverwaltung der kurdischen Minderheit in Syrien nach den Grundsätzen des demokratischen Konföderalismus, in dem Minderheitenrechte, Gleichberechtigung und Demokratie das Handeln leiten. Die Idee einer unabhängigen kurdischen Verwaltung ist dem türkischen Staat seit jeher ein Dorn im Auge. Seit der Gründung Rojavas erleben die Menschen in unregelmäßigen Abständen völkerrechtswidrige Angriffe und Landnahme seitens des türkischen Militärs.
Seit Anfang Oktober erleiden die Menschen in Rojava die verheerendsten Angriffe ihrer jungen Geschichte. Die Lebensgrundlagen der Bevölkerung in der Region werden gezielt zerstört. Innerhalb von drei Tagen wurden über 145 Ziele in allen Städten getroffen. Bisher wurden Dutzende Menschen getötet und verletzt, 80 Prozent der zivilen Einrichtungen sind zerstört: Wasser- und Energieversorgung, Krankenhäuser und Schulen, Ölfelder, Fabriken und Warenlager. Dabei setzt die türkische Armee Drohnen und Bomben aus Kampfflugzeugen ebenso ein wie Artillerie aus den türkisch besetzten Gebieten Nordsyriens. Hunderttausende Menschen sind seit Tagen ohne Strom und Wasser, darunter Zehntausende intern Vertriebene (siehe: Medico International).
Islamistische Barbarei und humanitäre Katastrophe im Gazastreifen
Die seit 2007 unter der Herrschaft der islamistischen und antijüdischen Hamas und der israelischen Besatzungspolitik leidenden ca. 2 Millionen Menschen im Gazastreifen stehen vor einer endgültigen humanitären Katastrophe. Nachdem die Hamas am 07. Oktober innerhalb kurzer Zeit über 1.400 israelische Soldat*innen und Zivilist*innen in einem bisher noch nie da gewesenen Ausmaß ermordete, folgte die Vergeltung seitens Israel durch Raketenangriffe und Bombardierungen durch das Militär. Diese trifft vor allem unschuldige Zivilist*innen im Gazastreifen, die seitens der israelischen Regierung von allen lebensnotwendigen Gütern wie Strom, Wasser, Treibstoff und Lebensmitteln abgekoppelt wurden. Die Gesundheitsversorgung verletzter Menschen in den überfüllten Krankenhäusern kann durch den Treibstoffmangel nicht gewährleistet werden. Der komplette Gaza-Streifen ist von der nötigsten Grundversorgung abgeschnitten. Humanitäre Hilfsgüter werden an den Grenzen zum Gaza-Streifen durch die israelische Armee konsequent abgewiesen. Nach wochenlangen Bombardierungen mit unzähligen zivilen Opfern hat Israel Ende Oktober die Bodenoffensive gestartet und rückt mit Panzern und Infanterie gegen Gaza-Stadt vor. In dem Monat seit Kriegsbeginn sind viele Tausende Menschen gestorben und viele weitere Tausend Tote werden folgen. Auch wenn der barbarische Angriff der Islamisten aufs Schärfste zu verurteilen ist, stellt diese kollektive Bestrafung seitens Israel einen klaren Völkerrechtsbruch dar und stürzt die Menschen im dicht besiedelten Gazastreifen in eine humanitäre Katastrophe.
In der BRD wird das zum Anlass genommen um zwischen betrauernswerten israelischen Opfern und palästinensischen „Kollateralschäden“ zu unterscheiden. Die völkerrechtswidrige Belagerung und Bombardierung Gazas durch das israelische Militär wird als notwendiger Akt der Selbstverteidigung dargestellt und deutsche Politiker*innen aller Parteien sichern dem Staat Israel ihre bedingungslose Solidarität zu. Wir stellen uns entschieden gegen die rassistische Unterteilung in legitime und illegitime zivile Kriegsopfer, sowie gegen die Gleichsetzung der israelischen Bevölkerung – und der Jüdinnen und Juden weltweit – mit der staatlichen Herrschaft Israels. Derweil erfahren pro-palästinensische Gruppen in Deutschland absurde staatliche Repressionen und die ersten linksliberalen Menschenfreund*innen rufen bereits nach Abschiebungen von Ausländer*innen, die sich nicht offensiv zur deutschen Staatsräson bekennen. Oft reicht hierfür schon das bloße Zeigen einer Palästina-Flagge oder das Rufen der Parole „Free Palestine“. Jegliche Kritik am Staat Israel wird als Antisemitismus bezeichnet – und dabei rassistisch als vorrangig arabisches Problem dargestellt. Antijüdische Einstellungen und einen positiven Bezug auf die Hamas, die es in Palästina-solidarischen Kreisen leider immer wieder gibt, gilt es für uns als Linke abzulehnen und in der inhaltlichen Auseinandersetzung anzugreifen. Staatliche Repression und rassistische Meinungsmacher*innen brauchen und wollen wir hierfür nicht – wir stehen ihnen feindlich gegenüber.
Klassenanalytische Einordnung
Leidtragende der Barbarei im Nahen Osten ist, wie in allen anderen Kriegen dieser Welt auch, die Arbeiter*innenklasse. In der Türkei und in Kurdistan ist es das Erdogan-Regime, welches die kurdische Minderheit seit Jahren unterdrückt, inhaftiert und bekriegt. Dem gegenüber steht der fortschrittliche und zähe Widerstand der kurdischen Freiheitsbewegung. In Israel und Palästina ist es die extrem rechte israelische Regierung, die durch ihre jahrelange neoliberale, rassistische und kolonialistische (Siedlungs-)Politik die palästinensische Bevölkerung unterdrückt, aber auch nicht im Sinne der israelischen Arbeiter*innenklasse handelt. Die zuletzt erstarkten Massenprotestbewegungen gegen die geplante Justizreform, aber auch die breiten Proteste gegen den Sozialabbau in den vergangenen Jahren sind hierbei als Beispiele hervorzuheben.
Der palästinensische Widerstand gegen die Angriffe der israelischen Regierung wird – im Gegensatz zur kurdischen Freiheitsbewegung – überwiegend von reaktionären islamistischen Organisationen wie der Hamas dominiert, was in der öffentlichen Wahrnehmung zur Delegitimierung des berechtigten Interesses der palästinensischen Bevölkerung nach einem selbstbestimmten Leben führt. Den islamistischen Kräften gegenüber stehen historisch stark zersplitterte und bis in die Bedeutungslosigkeit bekämpfte linke Organisationen und Parteien sowohl in Palästina als auch in Israel. Die Hamas hat seit ihrer Gründung bewiesen, dass sie nicht im Interesse der Arbeiter*innenklasse Palästinas und Israels handelt und somit nicht als legitime Befreiungsorganisation akzeptiert werden kann. Im Kampf für ein selbstbestimmtes Leben können die Menschen im Nahen Osten weder auf die israelische Regierung noch auf die Hamas oder Fatah setzen. Eine geeinte und organisierte Massenbewegung der jüdisch-israelischen und indigenen palästinensichen Bevölkerung gegen die reaktionären Kräfte im Nahen Osten kann eine Perspektive für ein selbstbestimmtes und solidarisches Zusammenleben aufzeigen.
Wir als internationalistische Linke erachten es als wichtig, sich immer hinter die unterdrückten Menschen der Arbeiter*innnenklasse der jeweiligen Teile dieser Welt zu stellen. Gleichzeitig müssen wir selbstkritisch feststellen, dass die internationalistische und antimilitaristische Bewegung in der BRD wenig bis keine politische Gegenmacht entfalten kann. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Von der massiven Repression gegen eben diese Bewegungen bis hin zur Prioritätensetzung in der eigenen politischen Praxis. Es liegt an der linken Bewegung in den kapitalistischen Zentren wie der BRD, die eigenen Schwächen und Prioritäten kritisch zu analysieren und die oft gerufene Parole „Hoch die internationale Solidarität“ in die Praxis umzusetzen.
Ob im Nahen Osten, Kurdistan oder Ukraine, es bleibt dabei:
Keine Solidarität mit bürgerlich-reaktionären Staaten oder Organisationen!
Volle Solidarität mit der Arbeiter*innenklasse!